Herzenspost

Als ich vor etlichen Jahren das Buch von Marshall Rosenberg über Gewaltfreie Kommunikation las, haben mich bereits die ersten Seiten nachhaltig beeindruckt und nachdenklich gestimmt. Arun Gandhi beschreibt darin etwas, dass ihn sein Großvater Mahatma Gandhi lehrte. Er ließ ihn einen Stammbaum der Gewalttätigkeit zeichnen, der genauso wie ein Familien-Stammbaum aufgebaut war. Seinem Großvater sagte, dass er Gewaltlosigkeit besser wertschätzen würde, wenn er die Gewalt in der Welt wahrnehmen und verstehen würde. Er trug daraufhin alles in diesem Baum ein, alles, was er erlebt, gelesen, gesehen und anderen angetan hatte.

Er unterteilte dabei seine Einträge in „körperliche Gewalt“ und „passive Gewalt“, wenn es eher emotionale Verletzungen waren. Innerhalb weniger Monate war eine Wand seines Zimmers von Einträgen zu passiver Gewalt bedeckt. Sein Großvater erklärte ihm, dass passive Gewalt heimtückischer sei als körperliche Gewalt. Sie erzeugt Ärger im Opfer, das daraufhin gewalttätig reagieren kann. Passive Gewalt ist wie Öl, das ins Feuer der körperlichen Gewalt gegossen wird. Sein Großvater betonte daher wie wichtig es ist, gewaltfrei zu kommunizieren, sozusagen die Ölleitungen zu kappen, um eine Feuersbrunst zu verhindern.

Wir haben hier in Europa seit 80 Jahren mit Ausnahmen Frieden. Ich bin mir nicht sicher, ob es eine so lange Friedensperiode in Europa jemals schon gab. Allerdings finden sich in unserer Sprache eine ganze Anzahl von kriegerischen Relikten aus den zwei Weltkriegen, die wir in unserem Alltag gar nicht mehr als solche wahrnehmen. Sie haben aber dennoch Wirkung und können Aggression erzeugen. Wenn euch das interessiert, dann lest weiter. Ich gebe euch ein paar Kostproben und Hintergründe dazu:

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Kennen wir nicht alle den gutgemeinten „Ratschlag“, der in uns Ärger erzeugen kann? Auf der bewussten Ebene verstehen wir alle, was damit gemeint ist. Dennoch erreichen uns die „Schläge“ auf der unbewussten Ebene. Es gibt eine Reihe verwandter Wörter, wo unser Unterbewusstsein ähnlich reagiert, wie Vorschlag, schlagartig, beschlagen, sich breitschlagen lassen, sich mit etwas herumschlagen, niedergeschlagen sein. Doch es gibt auch alternative Formulierungen.

Statt Vorschläge kann man bspw. „Möglichkeiten anbieten“. Ein Ratschlag kann zu einer Idee oder zu einer Anregung werden. Vielleicht habt ihr Lust in einer ruhigen Minute selbst nach ein bei Alternativen zu suchen, die für euch passend sind.

Ein anderes in unserer Alltagssprache gebräuchliches Wort ist „kriegen“, wie „Ich kriege ein Geschenk“ oder „Frauen kriegen Kinder“.  Das Wort „kriegen“ leitet sich von „Krieg“ ab. Und wenn du magst, dann sprich es einmal bewusst aus. Es klingt hart, hart wie der Krieg selbst. Mechthild von Scheurl-Detersdorf schreibt in ihrem Buch „In der Sprache liegt die Kraft!“ dazu, dass die Schweitzer das Wort „kriegen“ nicht kennen. Schweizer haben auch nicht in den zwei Weltkriege gekämpft. Ich fragte dazu vor einigen Jahren meinen Schweitzer Freund Bruno und er bestätigte mir das.

Was wären Alternativen? Wie wäre es mit „Ich erhalte ein Geschenk“ und „Frauen bekommen Kinder“. Wenn du nun diese beiden Sätze aussprichst, klingt das nicht viel weicher und angenehmer?

Krieg und Gewalt haben auch noch andere Spuren in unserer Sprache hinterlassen. Manche Worte haben einen schrecklichen Ursprung. Lasst euch diese Ausdrücke auf der Zunge zergehen. Nehmt sie gerne auch wörtlich und lasst innerlich dazu ein Bild erscheinen – in der Schusslinie stehen, im Kreuzfeuer sein, den Spieß umdrehen, eine Kampfansage, auf die Folter spannen, bis zur Vergasung, ein Attentat vorhaben, dann schieß mal los, bombensicher. Apropos, das Bombenwetter war das Wetter mit guter Sicht, bei dem die Bomber im 2. Weltkrieg flogen.

Zum Abschluss noch ein Kuriosum. „Friedenskämpfer“ ist ein Ausdruck, der sich selbst widerspricht. Im Frieden legen wir die Waffen nieder und kämpfen nicht mehr. Wir sollten vielmehr Friedenswächter sein. In diesen Zeiten mit den Kriegen in der Welt, den Hass-Postings in den sozialen Medien und so viel Gewalt, die uns täglich über die Medien erreicht, werden Friedenswächter umso mehr gebraucht!

Quellen:

  • Gewaltfreie Kommunikation, Marshall Rosenberg
  • In der Sprache liegt die Kraft, Mechthild von Scheurl-Detersdorf

 

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